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Heute vor 70 Jahren starb Franz Jägerstätter

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Franz Jägerstätter

…und dennoch ist heute nicht sein Gedenktag, weil heute vor 71 Jahren Edith Stein starb, die 20 Jahre früher seliggesprochen wurde als er. Beide wurden von einem Staat “ohne Gott, ohne Gewissen und ohne Achtung vor der Würde des Menschen” (Präambel zur Bayerischen Verfassung) ermordet, die eine, weil sie als Jüdin geboren wurde, der andere, weil er den Kriegsdienst verweigerte.

Es sei fern, die beiden gegeneinander auszuspielen. Es gibt keinen Wettbewerb unter den Heiligen, es macht keinen Unterschied, ob die Kirche einen Märtyrer nach fünf oder nach fünfhundert Jahren heiligspricht.

Und doch ist für mich persönlich Franz Jägerstätter immer etwas mehr “mein” Heiliger gewesen als Edith Stein. Ganz sicher auch deshalb, weil ich ganz in der Nähe seines Heimatorts St. Radegund aufgewachsen bin, und das in einer Zeit, als die Heiligkeit und Vorbildlichkeit Jägerstätters bereits außer Frage stand. Der große Heilige Franz Jägerstätter gehörte zu unserer Landschaft ebenso selbstverständlich wie Salzach und Inn, wie der Föhn, wie die Maisfelder, die Barockkirchen, die Kapellen und Marterln, die eiszeitlichen Endmoränen und Seen und im Süden die bläuliche Silhouette der Alpen.

Später begann ich Jägerstätter zu bewundern für die Kraft seines gläubigen Individualismus. Die ganze Welt war gegen seinen Entschluss, einem gottlosen, verbrecherischen Regime nicht als Soldat zu dienen: das Dorf, die Nachbarn, die Mutter, die Freunde, der Pfarrer, der Bischof, der Staat sowieso. Nur seine Frau Franziska, die im heurigen März hundertjährig verstorben ist, hielt zu ihm.

Man fühlt sich heute, als Katholik, Traditionalist, Monarchist, Demokratiekritiker, egal welch sektenartiger Bewegung man sich zugehörig fühlen mag, geradezu als Bestandteil einer Massenbewegung, wenn man an Jägerstätter denkt. Eine solch undurchdringliche Einheitsfront wie gegen ihn kann es wohl nur geben, wenn sich eine ideologisch verblendete Gesellschaft im Krieg befindet. Als einzelner Mensch dieser Betonmauer standzuhalten braucht vielleicht noch größere Kraft als für den Glauben in den Tod zu gehen.

Mit dem Beistand des Heiligen Geistes hat Franz Jägerstätter beides geschafft. Noch nach seinem Tod und selbst nach Ende des Kriegs wurden er, seine Frau, seine Kinder und sogar deren Kinder jahrelang geschmäht. Noch 2007 äußerte der österreichische Militärsuperior Siegfried Lochner, Jägerstätter sei “ganz sicher kein Märtyrer der Katholischen Kirche, sondern ein bedauernswertes Opfer seines irrenden Gewissens und der äußeren Umstände seiner Zeit”. Lochner setzt sich für die Alte Messe ein, dieselbe Messe, die Jägerstätter die Kraft zum Widerstand gab und die mir und vielen anderen heute noch Kraft gibt, der Welt zu widerstehen. Wie kann er Jägerstätter so kalt und verständnislos gegenübertreten? Seine Formulierung vom “bedauernswerten Opfer seines irrenden Gewissens” würde ich zuallererst auf ihn selbst anwenden.

Und dann gibt es natürlich auch die vielen anderen. Zum heutigen Todestag ist in der FAZ ein Artikel erschienen, der diese anderen in erstaunlich klaren Worten beschreibt:

Jetzt haben alle auch in St. Radegund in den wohlfeilen Hochgesang des Antifaschismus eingestimmt, erklären Jägerstätter zum Bruder im Geiste, und die alten Katholiken in St. Radegund rufen den „seligen Franz“ im Himmel verzweifelt zu Hilfe, wenn sie beim Einkaufen einen freien Parkplatz suchen. Franz Jägerstätter hat seine „bürgerlichen Ehrenrechte“ zurück.

Denn eines ist Franz Jägerstätters Martyrium bestimmt nicht gewesen: wohlfeil. Jägerstätter hat sich ganz und gar in die Christusnachfolge begeben, die für ihn nicht nur das Martyrium einschloss, sondern insbesondere auch die absolute Einsamkeit vorher. “Da verließen Ihn alle Jünger”, schreibt Matthäus (26, 56). Und dennoch kommen die, die ihn gerade noch verleugnet haben, kurze Zeit später zurück, nach der Auferstehung, nach 313, oder eben, was Jägerstätter betrifft, nach 1945, seit den Siebziger Jahren, spätestens nach der Seligsprechung 2007, und wollen immer dazugehört haben. Das schmerzt.

Und doch:

Wäre es eine Alternative, Franz Jägerstätter nicht zu verehren? Wäre es besser, man würde ihn in St. Radegund weiterhin als Vaterlandsverräter und armen Irren klassifizieren – nur damit sich die Spießer als das erweisen, was sie sind: Spießer? Sie werden sich ohnehin nicht ändern. Egal, ob sie sagen, Jägerstätter war ein Held, oder Jägerstätter war ein Schurke: wenn sie in seine Situation kämen, hätte kaum einer die Kraft, so zu handeln wie er. So ist es wohl besser, sie sagen, Jägerstätter ist ein Held. Und vor allem: ein Heiliger. Fast alle von uns sind keine Heiligen, fast keiner könnte den glühenden Zangen so ruhig entgegenschreiten wie diese Schar der Auserwählten, und doch verehren wir Sünder sie alle Tage, und es ist nichts schlimmes dabei.

Die Heiligen gehören zur katholischen Landschaft. Es war und es ist eine schöne Landschaft, diese katholische Landschaft, die Landschaft meiner Kindheit, das Salzachtal, mit seinen sanften Hügeln und tiefeingeschnittenen Flusstälern, mit den buntbemalten Bürgerhäusern und den versteckten Marienkapellen, mit den Kruzifixen und Heiligenbildern an den Wegkreuzungen, und mit Franz Jägerstätter.


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