So, nun hat hoffentlich clamormeus genügend Tantiemen von der Blogger-Gema bekommen! Wohlauf denn: Nachdem Theodor mich schon wieder übelst vermöbelt hat, hol ich jetzt meinen Kumpel den Leopold zur Verstärkung!
Wer Theodors Text gelesen hat und den Leopold kennt, hat es sicher schon geahnt. Will doch der Theodor tatsächlich den Christus gegen den Mythos ausspielen! Das klingt dann so:
Lehrt er [=Christus] die Menschen, indem er ihnen Mythen erzählt? Nein, er tut das nicht. Er unterweist die Menschen, indem er ihnen Gleichnisse erzählt und diese Gleichnisse sind keine Mythen für esoterische Gruppen, sondern Geschichten aus dem Alltag, deren Kraft darin besteht, dass sie den Kleinen die Wahrheit offenbaren.
Und das ist natürlich mal wieder ganz krumm.
Zunächst mal stimmt es gar nicht, dass Christus Sich nicht an esoterische Gruppen gewendet hätte. Die Zwölf stellen sogar so ziemlich den Inbegriff eines esoterischen Zirkels dar. Nicht umsonst schreibt Markus:
Und als er allein war, fragten ihn, die um ihn waren, samt den Zwölfen, nach den Gleichnissen. Und er sprach zu ihnen: Euch ist das Geheimnis des Reiches Gottes gegeben; denen aber draußen widerfährt es alles in Gleichnissen, damit sie es mit sehenden Augen sehen und doch nicht erkennen, und mit hörenden Ohren hören und doch nicht verstehen, damit sie sich nicht etwa bekehren und ihnen vergeben werde. (4, 10-12)
Ziemlich arrogant, dieser Jesus, was? Selbst die Bergpredigt hält Er nicht vor dem ganzen Volk, sondern nur vor “seinen Jüngern”, die “zu ihm traten” (Mt 5, 1). Und bei der Verklärung auf dem Tabor ist gar nur der innerste Kreis Seiner Getreuen dabei: Petrus, Jakobus und Johannes. Der Evangelist betont extra: “Er führte sie auf einen hohen Berg, nur sie allein“ (Mk 9, 2). Der Auferstandene zeigt sich schließlich nur einzelnen Gruppen, ganz unsystematisch: zuerst den Frauen, dann dem Petrus, den Zehnen, dem Thomas, den Elfen, den Emmausjüngern, den Sieben… 2, 3, 7, 11 – gehts noch esoterischer, Rabbuni?
Womit wir allmählich zum Kern der Sache kommen: Verklärung – Auferstehung – der Widerpart zum Mythos sind nicht die Gleichnisse, sondern die Heilstat Christi selbst!
Das Einzigartige an Christi Menschwerdung, Tod und Auferstehung ist eben gerade, dass es der überzeitliche, ewige Gott ist, der in die Zeitlichkeit und die Körperlichkeit dieser Welt hinabsteigt und dadurch Himmel und Erde, Mythos und Alltag miteinander versöhnt. Mein Kumpel der Leopold (ich muss wohl nicht mehr hinzufügen, dass sein Nachnamen Ziegler ist) schreibt in seiner “Überlieferung”, dass von fast allen mythischen Helden, die zur Zeitenwende im römischen Reich en vogue waren, einzelne Dinge erzählt wurden, die auch auf Christus zutreffen: dass sie Gottes Sohn waren, dass sie von einer Jungfrau geboren wurden, dass sie Wunder taten, dass sie Geister austrieben, dass sie den Tod besiegten, dass sie gen Himmel fuhren usw. – Jesus aber ist der einzige, der all diese Merkmale in Seiner Person zusammenführt und sie aus der mythischen Ahnung in die sicht- und greifbare Gegenwart trägt.
Wenn Theodor also schreibt: “Seinen Aposteln und Jüngern war es überaus wichtig, dass ihr Glaube nicht auf einem Mythos, sondern auf realer Geschichte beruht” – dann ist das zwar nicht falsch, aber nur die halbe Wahrheit. Erst wenn man zwischen dem “nicht” und dem “auf” ein “nur” einfügt, stimmt der Satz ganz. Christus ist End- und Zielpunkt des Mythos, seine letzte und universelle Konkretion. Christus ist mythisch und real zugleich.
Was sind aber nun die Gleichnisse? Nu, sie sind im Grunde überflüssig. Christus muss nicht von der Wahrheit erzählen, Er ist die Wahrheit. Doch können wir die Wahrheit fassen? Das Reich Gottes ist erst im Verborgenen angebrochen. Wir leben noch nicht in ewiger Gottesschau. Der Teufel hat noch Macht über uns. Darum liefert Christus uns mit Seinen Gleichnissen Krücken an die Hand – die Kirche hat uns mit ihren Kirchengeboten noch vielerlei weitere Krücken bereitgestellt –, damit wir in unserer Schwachheit möglichst nahe an der Wahrheit leben können.
Die Gleichnisse sind fast ausnahmslos Gleichnisse vom Himmelreich. Sie führen uns vor Augen, was wir noch nicht sehen können, obgleich wir die Wahrheit gesehen haben und sie stets von neuem sehen und erfahren. Um die Gleichnisse in einem Gleichnis zu erklären: Wenn die Kreuzigung (wie es die traditionelle Tagzeitensymbolik lehrt) am Mittag stattfindet, dann ist der Mythos das erste Licht der Morgendämmerung. Die Gleichnisse aber dienen für den Nachmittag und den Abend, um uns das Licht im Gedächtnis zu halten, wenn die Welt ihren Zenit überschritten hat.
Das gleißende Mittagslicht der Zeitenwende strahlt bis in unsere Zeit. Das ist Tradition. Christus ist zum Himmel aufgefahren und bleibt doch gegenwärtig. Semel et semper. Einmal und allezeit.
Vor diesem Hintergrund bleibt es – und damit kommen wir zum zweiten Teil von Theodors Ausführungen – allerdings rätselhaft, wie er behaupten kann: “Es gab in der Heilsgeschichte nur eine Rebellion”. Sollen wir Christus etwa nicht nachfolgen? Sollen wir Ihm die Drecksarbeit überlassen und selbst wie die Pharisäer agieren, uns im trüben Glanz der eigenen vermeintlichen Wohlanständigkeit und Gottgefälligkeit sonnen?
Dass Theodor als Gewährsmann für diese Überzeugung ausgerechnet einen triebgesteuerten Kanaken aus dem 4. Jahrhundert zitiert, ist erstaunlich. Denn gerade diese Zeit war nun wahrlich nicht arm an inneren Verwerfungen, Machtkämpfen, häretischen Bischöfen und häretischen konstantinopolitanischen Patriarchen (mindestens vier, die bis heute als legitim gelten!), sogar einen häretischen Papst gab es (Felix II., von dem die Apologeten des bedingungslosen Gehorsams gewiss nicht ahnen konnten, dass er einmal als Gegenpapst gelten würde). Hier galt es zu widerstehen, das war auch dem Kanaken klar. Hier galt es, in der Nachfolge Christi zu rebellieren gegen alles, was der Wahrheit entgegenstand. In diesem Licht ist der Abschnitt zu verstehen, den Theodor zitiert: der rechtschaffene Mann, der von schwachen Gliedern der Kirche irrtümlich ausgeschlossen wird, soll nicht die Wahrheit verdunkeln, indem er auf seine ungerechte Behandlung beleidigt mit neuen Schismen oder Häresien antwortet. Die Rebellion kann immer nur für Gott geschehen, niemals gegen Gott.
Auf welche Weise die Rebellion, die zur Christusnachfolge untrennbar dazugehört, ausgeübt wird, entscheidet sich freilich je nach historischem Kontext unterschiedlich. Im 4. Jahrhundert stritt man um Theologie, nicht um Liturgie. Das Modell des Widerstands, das Augustinus schildert, taugt für Lehrstreitigkeiten, nicht aber für liturgische Bedrohungen, wie wir ihnen heute begegnen. Man kann irrtümlich ausgeschlossen werden, sich in die Wüste zurückziehen und mit seinen Schriften für die orthodoxe Lehre streiten. Aber man kann nicht ausgeschlossen werden, sich in die Wüste zurückziehen und die Heilige Liturgie bewahren. Die Weihe ist, anders als die Lehre, ein Sakrament. Wenn sie erlischt, kann sie nicht mehr ausgegraben werden wie ein altes Buch. Darum rebellierte Augustinus mit Worten, Lefebvre hingegen mit Taten.