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Sechste Allerheiligenflut 1570
Orkan Xaver, der gerade auf die Nordseeküste zubraust, wurde nach Xaver Mayer von der Firma Stormsmoker benannt. Der Herr ist quicklebendig und bisher auf keinen Fall heiliggesprochen, er hat lediglich ein paar hundert Euro hingeblättert, um dem Tiefdruckgebiet seinen Namen aufzudrücken.
Dass sich das Tief zu einem handfesten Orkan auswachsen sollte, konnte Herr Mayer bei seiner Patenschaftsübernahme natürlich nicht wissen. Er hat also ein echtes Schnäppchen gemacht – oder auch nicht, denn dem Vernehmen nach soll Xaver eine Sturmflut nach sich ziehen, die gute Chancen hat, nicht nach Herrn Mayer benannt zu werden, sondern ganz in alter, mittelalterlicher Tradition – nach dem Tagesheiligen.
Eigentlich ist diese Benennungstradition im 19. Jahrhundert abhandengekommen. Nachdem man jahrhundertelang schreckerfüllt von der Ersten und der (noch verheerenderen) Zweiten Marcellusflut erzählte (1219 bzw. 1362), nachdem man allein bis 1675 sage und schreibe neun Allerheiligenfluten zählte, daneben vielerlei Elisabethen-, Cäcilien-, Dionysius- und Cosmas-und-Damian-Fluten, nachdem man noch im Jahre 1756 bei der Amalienflut 600 Tote beklagte, redete man gut fünfzig Jahre später, 1825, plötzlich schlicht von der Februarflut oder der Großen Halligflut.
In den folgenden Jahrzehnten sollte es dabei bleiben: die Fluten wurden – profan und langweilig – nach Monat oder Ort benannt. Eine Ausnahme machte nur noch die Hamburger Sturmflut vom 16. Februar 1962, in der Helmut Schmidt als Krisenmanager brillierte und die immerhin den (freilich nur selten benutzten) Alternativnamen Zweite Julianenflut trägt – fast genau 800 Jahre nach der Ersten Julianenflut am 16. Februar 1164.
Heute weiß kaum jemand mehr, wann Juliana, Cäcilia, Marcellus und Dionysius ihre Namenstage haben. So ließ Sich der HErr etwas anderes einfallen: er schickte die Fluten einfach zu günstigeren Terminen. Der Cosmas-und-Damian-Tag mag den Leuten unbekannt sein, aber jeder weiß, wann Allerheiligen und Nikolaus ist. So hat sich für die Sturmflut 2006 zum ersten Mal seit über 200 Jahren wieder die christliche Nomenklatur durchgesetzt: sie wurde als (zehnte) Allerheiligenflut bekannt.
Ob wir nun morgen, wenn die brausenden Wassermassen die prallgefüllten Stiefel hinwegspülen, von der Nikolausflut hören werden? Immerhin redet man bereits vom Nikolausorkan.
Es wäre die zweite ihrer Art. Die Erste Nikolausflut traf am 6. Dezember 1196 die niederländische Küste und schwemmte große Torfgebiete hinweg.
So sehr zu hoffen ist, dass die Zweite Nikolausflut weniger Schaden anrichten möge – ich finde es einfach großartig, in einer so langen, jahrhunderteüberspannenden geschichtlichen Kontinuität zu leben.
[UPDATE 5. Dezember 14:40 Uhr: Der Begriff beginnt sich durchzusetzen! Yippie!!]